Neurotische Störungen
Der Begriff „Neurose“ wird heute so nicht mehr verwendet. Vielmehr werden zu den Neurosen, den neurotischen Störungen also, die Angst-, Zwangs-, Belastungs-, Konversions- und somatoformen (körperlich auftretenden) Störungen gezählt.
Angst ist ein Mechanismus, den vermutlich alle Menschen kennen. Sie kann begründet sein, wenn wir uns bspw. in einer lebensbedrohlichen Situation befinden. Sie äußert sich durch das Gefühl, in der Klemme zu sitzen, in einer auswegslosen Situation zu sein oder auch durch Todesangst. Körperlich zeigt sie sich in verschiedenen Symptomen wie zittern, schwitzen, Ohnmachtsgefühl, Herzrasen, hohem Blutdruck und vielen anderen. Angst kann akut auftreten, also für einen begrenzten Zeitraum oder auch chronisch, schlimmstenfalls permanent und ein Leben lang. Dann spricht man von einer generalisierten Angststörung.
Ein akutes Angstsyndrom ist die Panikattacke, die einige Minuten bis zu einer halben Stunde lang grundlos dauern kann. Sie gipfelt in dem Gefühl der Lebensbedrohung und des Kontrollverlustes. Tritt sie häufiger auf, spricht man von einer Panikstörung.
Angst kann auch bezüglich einer Situation oder eines Objektes auftreten. Dies kann Angst vor Menschenansammlungen sein (Agoraphobie, Agora = Marktplatz) oder vor sozialen Anlässen (Soziophobie) oder Angst vor Spinnen (Arachnophobie), vor Höhe (Akrophobie) oder engen Räumen (Klaustrophobie).
Das Problem, besonders bei Angst vor bestimmten Situationen, kann sein, dass der Mensch mit dieser Angst immer mehr eben solche Situationen vermeidet und schließlich wenig bis keine sozialen Kontakte mehr aufrecht erhält. Dieses Vermeidungsverhalten tritt oft auch bei Panikstörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen auf. Häufig treten dann noch andere psychische Störungen auf, wie Sucht oder Depressionen.
Angst vor Objekten ist häufig nicht so folgenreich, da bspw. Spinnen gut vermieden werden können und das tägliche Leben weniger beeinflussen, als z.B. Menschenansammlungen.
Zwangsstörungen sind gekennzeichnet durch häufiges Wiederholen bestimmter Rituale. Ihnen liegt ebenso eine Angst zugrunde („habe ich den Herd ausgeschaltet“?) oder einfach das Verlangen, bspw. sich zu waschen (Waschzwang) oder die Wohnung zu putzen (Putzzwang). Die Handlungen werden als unsinnig empfunden, können aber trotzdem nicht abgestellt werden – da eine Unterlassung Angst hervorrufen würde; deshalb werden sie eben doch und immer wieder ausgeführt.
Belastungsstörungen treten nach Ereignissen auf, die jeder Mensch als belastend oder gar katastrophal bezeichnen würde. Dies kann der Schock nach einem Unfall sein, der nach kurzer Zeit überwunden ist oder das Trauma nach einem Gewaltverbrechen, bspw. einer Vergewaltigung oder Kriegsgeschehen, die länger andauern können. So spricht man dann auch von einer posttraumatischen Belastungssituation, die auch erst Wochen nach dem Ereignis eintreten und bis zu Jahre andauern kann.
Darunter fällt auch die Trauerreaktion, die in der Regel nach zwei Jahren abgeschlossen ist und ansonsten als abnorme Trauerreaktion bezeichnet wird.
Als Konversionsstörungen bezeichnet man psychische Probleme, bspw. in Form belastender Ereignisse, die als körperliches Symptom, in abnormen Verhaltensweisen oder auch in Form von psychischen Ausfällen auftreten können. Hier vermutet man, dass keine psychische Verarbeitung von Problemen und Konflikten stattfindet, sondern das Problem eben auf andere Ebenen verlagert wird. Bereits vor S. Freud wurde dies als Hysterie bezeichnet. Damals wurde vor allem Frauen dieser Mechanismus zuerkannt. Heute weiß man, dass bei jedem Mensch solche Verdrängungen auf andere Bereiche auftreten.
Dies können Lähmungen, verlorene Gedächtnisinhalte (Amnesien) oder unübliche Handlungen (das Verreisen für eine bestimmte Zeit unter Annahme einer neuen Identität) sein.
Bei somatoformen Störungen treten körperliche Symptome auf, für die es keine (ausreichende) Erklärung gibt. Oft haben solche Menschen bereits viele Ärzte konsultiert, von denen keiner einen ausreichenden BefundDer Befund ist ein nach einer Untersuchung festgestelltes E... More stellen konnte. In die psychotherapeutische Praxis kommen sie meist aufgrund anderer Probleme wie Depressionen oder auch Sucht.
Die bekannteste ist der Hypochondrismus, bei dem die Betroffenen glauben, an einer bestimmten Krankheit zu leiden, oftmals auch das entsprechende Symptombild aufweisen, allerdings keine körperlichen Ursachen feststellbar sind.
Die Ursachen der Störungen dieses Kreises sind unterschiedlich. Den Belastungsreaktionen liegt natürlich eine vorausgegangene Belastungssituation zu Grunde, an und mit der gearbeitet werden kann. Oft werden solche Belastungssituationen nicht direkt verarbeitet, sondern zunächst unbearbeitet in ein sog. Traumagedächtnis geschoben. Ziel einer Therapie ist es, das Erlebte Stück für Stück zu bearbeiten, oft auch, Schuld abzubauen (bspw. nach Vergewaltigung oder Beiwohnen bei einem Gewaltverbrechen).
Bei Angst und besonders bei Phobien geht man von gelerntem Verhalten aus, wohl auch, weil jede andere wissenschaftliche Erklärung hier zunächst einmal versagt. Die Therapie zielt darauf ab, das negative Verhalten abzubauen. Im Falle von Angst- aber auch von Zwangsstörungen bedeutet dies, dass man den Betreffenden dazu bringt, die auftauchende Angst auszuhalten, um zu sehen, dass nichts von dem Befürchteten tatsächlich eintrifft, wenn bspw. eine Zwangshandlung nicht ausgeführt wird.
Konversions- und somatoforme Störungen sind nicht ganz so leicht therapierbar, da sich die psychischen Probleme ja auf einer anderen, körperlichen Ebene äußern. Die Betroffenen wollen selten wahrhaben, dass es sich um ein psychisches Leiden handelt, zumal ja der körperliche „Beweis“ vorliegt. Es ist wohl auch für den Arzt nicht leicht zuzugeben, nichts gefunden zu haben, was den ein oder anderen evtl. dazu treiben kann, immer weiter zu diagnostizieren. Bis dann dazu übergegangen wird, an ein psychisches Problem zu denken, ist eine Vertrauensbeziehung zwischen Therapeut und Patient oft schon nicht mehr ohne weiteres möglich. Hier ist ein behutsames Vorgehen notwendig.
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