Die Psychologie des Gelingens – WAHR

So klappt’s

Ein Krankenhaus und Patienten, die sich einer Hüftoperation unterzogen haben. Sie wurden nach Ihrer Einschätzung zu Ihrer Genesung befragt. Konkret lautete die Frage, wie hoch sie die Chance einschätzten, nach zwei Wochen wieder Treppen steigen zu können. Außerdem wurden sie gebeten, sich vorzustellen, wie die Zeit nach der OP verlaufen würde: Das Aufwachen, die ersten Schritte bis hin zur Genesung. Nach zwei Wochen wurden mit Erlaubnis der Patienten die Physiotherapeuten befragt. Ergebnis: Bei denjenigen, die die Genesungschance eher hoch einschätzte, stellte sich eine vergleichsweise schnelle Genesung ein. Währenddessen bei denen, die sich Ihre Genesung in positiven Bildern vorgestellt hatten,  selbige schlechter verlief als bei denjenigen, die auch  die Hindernissen gesehen hatten.

Ortswechsel: Frauen melden sich zu einem Diätkurs an. Zu Beginn werden Sie gefragt, wie realistisch es aus ihrer Sicht ist, dass sie Gewicht verlieren. Zudem bekommen Sie zwei Geschichten erzählt, die Sie komplettieren sollen:

„Die Diät ist vorbei und ich feire das mit einer Freundin. Wir treffen uns und während ich auf sie warte, denke ich …“

„Ich bin zu einem Meeting eingeladen und bin als erste im Meetingraum. Vor mir steht ein großer Teller mit leckeren Keksen. Ich …“

Frauen, die ihre Chancen, abzunehmen, positiv bewertet haben, nehmen in der Tat bis zu 13 Kilo mehr ab als die, die weniger überzeugt waren. Frauen aus der positiv gestimmten Gruppe, die ein positives Ende der Geschichte erzählten (z.B. „meine Freundin hat mich kaum wiedererkannt, so schlank bin ich geworden“ oder „ich widerstehe den Keksen natürlich“ ), haben wiederum bis zu 12 Kilo weniger abgenommen, als solche, die ein weniger euphorisches Ende der Geschichte erzählten.

Träume sind für schlechte Zeiten – nicht für gute

Damit beginnt das Ende des Mythos, dass man nur oft genug ein positives Bild dessen haben muss, was man erreichen will, dann klappt es schon. Man darf davon ausgehen, dass mit dieser ausschließlich positiven Taktik eher der zweite Band der Bücher, die das noch propagieren ,verkauft wird, als dass es die Leser zum Erfolg führt.

Herausgefunden und entwickelt hat diese Technik Gabriele Oettingen, die unter anderem in den USA seit über zwanzig Jahren das Phänomen des positiven Denkens verfolgt. Nach diesem Ergebnis jedenfalls kann man die erste Schlussfolgerung ziehen:

Die Überzeugung, etwas schaffen zu können, ist unbedingt erforderlich für ein positives Ergebnis. Ausschließlich positive Gedanken und Schwelgen in Phantasien von dem zu erreichenden Ziel aber suggerieren dem Menschen, dass er bereits dort ist, wo er hin möchte und berauben ihn seiner Motivation, die Dinge beherzt anzugehen.

Positives Denken also scheint für den Moment Erleichterung zu bringen, beispielsweise, wenn wir an eine gute Prüfung denken und vor allem das tolle Gefühl danach. Dem Lernen allerdings sind sie eher abträglich – und damit dann eben auch den Prüfungsergebnissen. Unserem Gehirn also zu suggerieren, dass etwas Wünschenswertes bereits eingetreten ist, führt dazu, dass die Motivation, es in Real zu erreichen, schwindet.

Anders allerdings kann das Träumen von einer positiven Zukunft überhaupt erst das Weiterleben ermöglichen oder zumindest erleichtern. Menschen, die in Konzentrationslagern inhaftiert waren beispielsweise erzählen davon, sich mit Hilfe von Kochrezepten über den Hunger und mithilfe anderer positiver Phantasien über die grausame Zeit in den Lagern retten konnten, ohne daran gänzlich zu zerbrechen.

Positive Phantasien helfen uns, schwere Zeiten zu überstehen, genauso helfen sie, eine Zukunft erfahrbar zu machen, um herauszufinden, ob es sich bei dem vorgestellten Ergebnis um eine zu wünschende Perspektive handelt. Sie helfen allerdings nicht, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, die ein beherztes Vorgehen erfordern.

Zusammenfassen kann man über das Schwelgen in der positiven Zukunft also sagen, dass es suggeriert, wir seine schon da, wo wir hinwollen und im gleichen Atemzug Stück für Stück die Energie raubt, die wir benötigten, um tatsächlich dort hinzukommen. Auch verhindern diese Phantasien, dadurch, dass wir sie ungern ziehen lassen, dass wir  andere Optionen in Betracht ziehen oder vielleicht sogar zu dem Schluss kommen, dass wir für diese Zkunft gar nicht bereit sind.

Der Klassiker der Neuzeit sind sicher all die Castingshows, die viele Menscheng glauben lassen, man müsse nur ein Talent haben und schon sei der Weg zum ruhmreichen Leben eine logische Folge. Stars wissen da sicherlich anderes zu erzählen, von Strapazen, von Kämpfen, von Stress und beinharter Arbeit, die es braucht, um bekannt zu werden und zu bleiben. Alles Dinge, die wir bei weniger Schwelgen und genauem Betrachten auch sehen würden – und vermutlich nicht bereit wären zu tun.

Realistischer Optimismus

Zurück zu den Experimenten, die uns also von einer allzu positiven Vorstellung unserer Zukunft abraten. Die zweite Wahrheit, die sich aus ihnen ergibt ist, dass neben der Einschätzung, eine Aufgabe schaffen zu können die auch kritische Betrachtung der Zukunft zu erheblich besseren Ergebnissen führte, als eben das Schwelgen in ausschließlich positiven Gedanken darüber.

In einem weiteren Experiment wurden Studierende gebeten, ihren wichtigsten Wunsch in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen zu äußern. Zunächst ging es wieder darum, einzuschöätzen, wie realistisch die Erfüllung des Wunsches sei. Danach sollte jeder Teilnehmende  vier positive Stichworte wie „mehr Zeit füreinander“ oder „sich geborgen fühlen“ und vier negative wie „schüchtern“ oder „zu wenig Zeit“ aufschreiben. Nun wurden vier Gruppen gebildet. Gruppe eins wurde damit beauftragt, zunächst die vier positiven Stichworte in Bilder zu fassen, um sich danach die vier negativen bildlich auszumalen. Die zweite Gruppe schwelgte nur in den posotiven Bildern, die dritte gruppe grübelte über die negativen  Stichworte und die vierte Gruppe grübelte zunächst, um danach in den positiven Phantasien zu schwelgen (also gerade umgekehrt zur ersten Gruppe).

Wie zu erwarten, waren diejenigen, die sich zunächst die positive Zukunft vorstellten, um danach über die Hindernisse zu grübeln die erfolgreichsten in ihrem Vorhaben – allerdings nur dann, wenn ihre Einschätzung im Vorfeld auch positiv war. Alle anderen, also diejenigen, die eine negative Einschätzung ihres Erfolges hatten, diejenigen, die nur positiv oder nur negativ dachten, waren weniger erfolgreich. Ebenso diejenigen, die zunächst negativ und dann positiv über ihre Zukunft dachten.

Damit wurde klar, dass es der Kontrast zwischen Wunsch und Realität war, der den Erfolg brachte. Ergo lässt sich schlussfolgern:

Wer mental kontrastiert, also neben der positiven Vorstellung seiner Zukunft DANACH auch die Hindernisse phantasiert, hat eine signifikant gute Chance, sein Ziel zu erreichen!

Es passiert aber noch mehr beim mentalen Kontrastieren, denn wir malen uns nicht nur aus, wie unsere Zukunft sein kann, sondern wir machen uns auch klar, welche Hindernisse auftauchen können.

Erinnern wir uns an die Damen, die sich zur Diät anmeldeten. Diejenigen, die sich vorstellten, mit dem Anblick von leckeren Keksen während ihrer Diät locker umgehen zu können, hatten weitaus weniger Erfolgsaussichten, als diejenigen, die diese Situation realistisch einschätzten und davon ausgingen, dass die Kekse sie durchaus aus dem Konzept bringen könnten.  Kurzum:

Eine realistische Einschätzung und Visualisierung der Hindernisse macht diese überwindbarer, wenn sie dann tatsächlich auftreten.

Und noch etwas passiert, wenn wir uns über mögliche Hindernisse auf dem Weg zum Erfolg Gedanken machen. Wir merken unter Umständen, dass die Hindernisse den Wunsch nach dem Ziel überwiegen und können dazu führen, den Wunsch aufzugeben. Nicht aus Enttäuschung, sondern aus der gewonnene Einsicht, dass wir keine Lust auf die Anstrengungen haben, die wir überwinden müssen.

Außerdem konnte festgestellt werden, dass die Energie, die durch das mentale Kontrastieren zu einem Wunsch freigesetzt wurde, sich auch auf andere Wünsche anderer Bereiche des Lebens positiv auswirkte.

Ein guter Plan

Damit könnte diese Geschichte zu Ende sein und wir könnten eine wirkungsvolle Technik zu einem Diagramm zusammenfassen, um sie dann anzuwenden, wenn wir etwas in einer bestimmten Zeit erreichen wollen, sei es am kommenden Tag, in der kommenden Woche, Jahr oder noch länger. Denn eines haben die Experimente und auch die praktischen Anwendungen gezeigt: Ein Wunsch, ein Ziel ist dann erreichbar, wenn wir daran glauben, genauso aber ist es unerlässlich, die Hindernisse dorthin zu erkennen und  gleichfalls zu identifizieren. Ansonsten rauben wir uns die Energie, unsere Wünsche zu erfüllen!

Während die Wissenschaftlerin an dieser Entdeckung forschte, wurde auf einem ähnlichen Gebiet Ähnliches entdeckt: Peter Gollwitzer forschte und entdeckte, dass ein Plan, wenn er ausformuliert niedergeschrieben wurde, eher zur Erfüllung neigt, als ein Plan, der gerade mal nur gefasst wurde.

Eine Studie wurde mit Studenten durchgeführt. Ihnen wurde eine lästige Aufgabe gestellt: Sie sollten zwei Tage nach Heiligabend einen Bericht über die vergangenen Weihnachtstage verfassen. Eine Gruppe schrieb diesen Plan nieder, mit Zeitpunkt und Ort der Durchführung. Die andere Gruppe wurde nur über die Aufgabe informiert. Während die Gruppe mit Plan zu 71% der Erfüllung der Aufgabe nachkam, waren es aus der Kontrollgruppe nur 32%.

In weiteren Versuchen wurde die Technik noch verfeinert. Zu dem Hindernis wurde ein Verhalten aufgeschrieben und imaginiert, dass genau dann durchgeführt werden sollte, wenn das Hindernis auftrat. Also: “Wenn ich während meiner Diät Süßes angeboten bekommen, dann atme ich zweimal tief durch und lehne ab!“

In allen Experimenten konnte gezeigt werden, dass die Durchführungsintention (so nannte man das Erstellen eines solchen Planes) signifikant (also mittel bis stark) halfen, eine Aufgabe trotz Widerstände zu beginnen und weiterzuführen. Außerdem halfen Sie bei der Erreichung auch anderer Ziele.

Auch zeigte sich, dass beide – das mentale Kontrastieren und die Durchführungsintention, starke Partner sein könnten. Ich muss nicht erwähnen, dass Experimente dazu genau diese Verstärkung zeigten

WOOP, oder wenn Träume WAHR werden

Kommen wir also zum großen Showdown und halten fest:

Wer an das, was er vorhat, seinen Wunsch (W = Wish), glaubt, wird es eher schaffen, den Wunsch zu erreichen, als derjenige, der nicht daran glaubt. Allein eine positive Visualisierung des Wunsches und vor allem seiner Auswirkungen (O = Outcome) allerdings ist kontraproduktiv und raubt die Motivation. Wohingegen das anschließende Visualisieren der Hindernisse (O = Obstacles) bewirkt, dass ebenjene beachtet werden und somit der Zielerreichung nicht mehr im Wege stehen, sondern sie sogar positiv unterstützt. Das Ganze als Plan (P = Plan) zu verfassen und zu den Hindernissen auch noch die Reaktion auf selbige vorher festzulegen die Erreichung des Zieles nahezu perfekt machen.

Daraus entwickelte die Wissenschaftlerin das Akronym WOOP (siehe Beschreibung in den Klammern im obigen Text). Ich möchte es für den deutschen Nutzer etwas umändern in

W(unsch) A(uswirkung) H(indernisse) R(eaktion auf die Hindernisse) = WAHR

Ich weiß, das hört sich in der Tat zu gut an, um wahr zu sein. Ich schlage vor, es nun einmal auszuprobieren. Im Folgenden also suche Dir einen in einem bestimmten Zeitraum zu erfüllenden Wunsch und schreibe Dir hierzu ein Stichwort oder einen Satz auf. Gehe zudem auf die Auswirkungen bei Wunscherreichung ein. Danach überlege, wo Hindernisse auftauchen könnten, die sich realistischerweise ergeben werden. Das können äußere, in jedem Fall aber innere Hindernisse sein. Schließlich schreib Deine Reaktionen auf die auftauchenden Hindernisse auf.

Ein Beispiel: „Ich möchte in den nächsten drei Monaten 5 Kilo abnehmen. Ich stelle mir vor, wie ich in meine alten Klamotten wieder reinpasse und meine Freunde mich bewundernd anschauen, weil ich wieder schlank bin. Natürlich weiß ich, dass ich Süßem kaum widerstehen kann. Wenn ich damit also konfrontiert werde, dann atme ich zweimal tief durch und erinnere mich daran, dass ich abnehmen möchte. Außerdem gönne ich mir statt der Tafel Schokolade zwei Scheibchen getrockneten Apfel oder lutsche ein Zuckerfreies Bonbon.“

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Veröffentlicht am Kategorien Methoden

3 Gedanken zu „Die Psychologie des Gelingens – WAHR“

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