Psychodynamische Verfahren

Psychoanalyse und psychodynamisch (tiefenpsychologisch) orientierte Verfahren

Definition
Unter Tiefenpsychologie versteht man alle psychologischen Theorien, Modelle und Behandlungsverfahren, die davon ausgehen, dass unbewusste Persönlichkeitsanteile existieren, die psychodynamisch wirksam sind und die die Grundlage menschlichen Verhaltens und Erlebens darstellen. 
In der tiefenpsychologischen Therapie liegt ein besonderer Schwerpunkt in der Interaktion zwischen Therapeut und Patient. Die Denk- und Handlungsansätze der klassischen Psychoanalyse gehen im Wesentlichen auf die Arbeiten von Sigmund Freud zurück. 


Weiterentwicklungen sind die Individualpsychologie Alfred Adlers, die analytische Psychologie C.G. Jungs, die Existenzanalyse V. Frankls und die Neopsychoanalyse nach Erich Fromm oder H.S. Sullivan.
Für kurzfristige Therapieformen (40 – 80) Stunden konnte eine Wirksamkeit der Methodik nachgewiesen werden. Für andauernde, hochfrequente Psychoanalyse liegen bislang keine kontrollierten Evaluationen vor. In Deutschland wurde die operationalisierte psychodynamische Diagnostik (OPD) entwickelt, ein Handbuch, das die für die Behandlung zentralen psychodynamischen Konzepte schärfer definieren und einer wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich machen soll.

Konzepte der Psychoanalyse
Folgende theoretische Konzepte bilden die Grundlage der Psychoanalyse:

das Unbewusste: hat im menschlichen Erleben und Verhalten eine wichtige Bedeutung, z. B. werden Fehlleistungen (z. B. Versprecher, Vergessen) als Kompromissbildungen zwischen Verdrängtem und bewussten Absichten interpretiert.

das Strukturmodell der Persönlichkeit: Freuds Persönlichkeitsmodell geht von drei Strukturen oder Instanzen der menschlichen Psyche aus: das Es, das Ich und das Über-Ich. Das Es sind die unbewussten Triebe, Impulse und emotionalen Grundbedürfnisse. Das Über-Ich steht für die moralische Entwicklung der menschlichen Psyche, die Wertvorstellungen, Normen und Ideale. Das Ich schließlich ist die Koordinationsinstanz zwischen den beiden anderen Instanzen, aber auch zwischen dem Ich und der äußeren Welt, es dient dazu unterschiedliche psychische Motive zu integrieren und eine Adaption an die Umwelt zu ermöglichen.

Modelle der psychoanalytischen Entwicklungspsychologie: das Phasenmodell Freuds geht von fünf Phasen der psychosexuellen Entwicklung von Kleinkindern aus.

  • Orale Phase: hier entsteht die Trennung von Umwelt und Ich
  • Anale Phase: durch Auseinandersetzung mit Regeln, Normen und Verboten erfolgt die Strukturierung des Über-Ich
  • Phallische oder ödipale Phase: Bildung von Rollenverständnis und sexueller Identifikation.
  • Latenzphase: Entwicklung allgemeiner psychosozialer Kompetenzen
  • Pubertäts-Adoleszenzphase: Schwerpunkt dieser Phase ist die Identitätssuche.

Werden in einer Phase Entwicklungsschritte fehlgeleitet, so kann dies später zu einem Rückfall in die phasenspezifische Verhaltensmuster führen, wenn es zu einer Krisensituation kommt.

Eine Erweiterung dieses Modells ist das Modell der Objektbeziehungen. Dabei wird davon ausgegangen, dass für den Aufbau der äußeren und inneren Wahrnehmung sowie der Identität immer Vorstellungen von sich selbst (Selbstrepräsentanz), Vorstellungen von einem Objekt (Objektrepräsentanz, meist die erste Bezugsperson) sowie das dazugehörige Gefühl eine Rolle spielen. In der Interaktion mit dem Objekt entwickelt das Kind seine Persönlichkeitsmerkmale.

psychoanalytische Krankheitskonzepte: hierbei wird von der Annahme ausgegangen, dass unbewusste psychische Konflikte existieren, die zu gestörtem Erleben oder Verhalten führen. Der Konflikt ist dabei das Vorliegen einander widerstrebender oder unvereinbarer Wünsche und Intentionen. Daraus entstehen Abwehrmechanismen, die zu einem späteren Zeitpunkt wieder aktiviert werden. Pathologisch werden sie dann, wenn sie durch Dauer, Intensität, stereotype Einseitigkeit sowie situative Unangemessenheit einen krankhaften Charakter erhalten. 
Abwehrmechanismen sind z. B.:

  • Projektion
    Eigene Probleme werden auf einen anderen Menschen verlagert, da sie im eigenen Erleben nicht ertragen werden können. Grundlage bspw. für den Rohrschach-Test (Farbkleckse werden vom Patienten gedeutet)
  • Spaltung
    Gegensätzliche Gefühle können nicht gleichzeitig an einem Menschen wahrgenommen werden und Menschen werden deshalb zeitversetzt in „nur gut“ oder „nur schlecht“ bewertet
  • Verdrängung
    Fernhalten von Konflikten, Gedanken oder Trieben. Aufbau eines Widerstandes gegen das Bewusstwerdens
  • Identifikation
    Verneinung eigener Triebe und Bedürfnisse durch Übernahme der Eigenschaften einer anderen Person.
  • Projektive Identifikation
    Projizierung eigener unangenehmer Affekte auf den Therapeuten. Für den Therapeuten ist dies sehr aufschlussreich
  • Reaktionsbildung
    Nicht akzeptierte Eigenschaften werden bei Auftreten ins Gegenteil verkehrt (statt Faulheit kommt es zu Geschäftigkeit)
  • Sublimierung
    Regungen und Affekte werden auf sozial leichter zu akzeptierende Ziele verlegt. Das ursprüngliche Ziel wird dabei aufgegeben.
  • Affektisolierung
    Trennung eines unangenehmen Gefühls vom Erlebten und Verschiebung auf eine rationale Ebene.
  • Ungeschehenmachen
    Ein Angst-Verursachender Gedanke wird durch ein magisches Ritual neutralisiert


die Behandlungstheorie (Technik):

  • Psychoanalyse: Ziel ist die Aufdeckung und Bearbeitung von Konflikten durch Introspektion und Deutung unbewusster Vorgänge. Sie wird heute vorwiegend in der psychoanalytischen Ausbildung und Selbsterfahrung eingesetzt. Bei neurotischen Störungen wird sie aus Kostengründen und aufgrund ihrer Dauer eher selten eingesetzt.
  • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (dynamische Psychotherapie): Schwerpunkt ist die aktuelle Symptomatik im Bezug zur Lebensgeschichte des Patienten. Über die Einsicht in aktuelle und frühere Konflikte sowie neue Erfahrungen in der therapeutischen Beziehung soll die bestehende Symptomatik und Lebenssituation konstruktiv verändert werden.

Und hier ein spannender Vortrag von Erich Fromm zur Psychoanalyse

Log in or Register to save this content for later.

2 Gedanken zu „Psychodynamische Verfahren“

Schreibe einen Kommentar