Das Innere Kind im Alleingang

Das innere Kind ist seit vielen Jahren in aller Munde, zumindest in deren Munde, die an sich arbeiten wollen, sich unwohl fühlen oder glauben, Vergangenes aufarbeiten zu müssen, um sich wohl zu fühlen. Doch ist diese Methode für jede, jeden und immer geeignet? Natürlich nicht, denn das kann keine Methode leisten und vor allem die Selbsthilfe stößt hin und wieder an ihre Grenzen.

Dazu gibt es hier einen Artikel.

 

Antidepressiva – helfen sie wirklich?

Es ist ein Phänomen, dass aus einem scheinbaren Marketingtrick eine Medikamentenbezeichnung wurde, die zumal von allerlei Expertinnen und Experten immer wieder so weitergegeben wird: Die SSRI, die selektiven Re-uptake Inhibitors, also die Antidepressiva, die angeblich die Botenstoffe aus dem synaptischen Spalt zurückholen und damit die Reizweiterleitung depressiv werden lassen. Seltsam nur, dass sich eine derartige Konzentration gar nicht messen lässt und dass es bei depressiven Patienten sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig an Serotonin gibt. Hier empfehle ich das Buch Neuromythologie: Eine Streitschrift gegen die Deutungsmacht der Hirnforschung von Felix Hasler

Ungeachtet dessen zeigen Studien ebenso, dass Antidepressiva oftmals nicht über den Placeboeffekt hinausgehen. Allenfalls bei mittelschweren, am ehesten noch bei schweren Depressionen zeigen sie eine messbare Wirksamkeit.

Die ARD hat hierzu eine Dokumentation, die ich sehr ans Herz legen kann: Hier gehts zur Doku.

 

ICD 11 – was ist neu?

Die ICD-11

International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems”, zu Deutsch und vereinfacht: „Internationale Klassifikation der Krankheiten“.

Seit Anfang 2022 ist die ICD-11 veröffentlicht und wird nun mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren implementiert. Die neue ICD unterscheidet sich schon rein optisch, was an der neuen Kodierung liegt. Zudem wurden die Unterteilungen der Störungen verändert. Auf der Webseite https://www.bfarm.de/DE/Kodiersysteme/Klassifikationen/ICD/ICD-11/_node.html kannst Du die Entwurfsfassung der deutschen ICD-11 anklicken und gelangst zur eigentlichen ICD. Diese wird, anders als die ICD-10 nur noch online angeboten und ist mit einer entsprechenden Suchfunktion ausgestattet. Vermutlich wird es aber in den entsprechenden Verlagen auch Literatur mit den entsprechenden Diagnoserichtlinien geben.

Was also ist neu in der ICD-11? Hier ein kurzer Überblick:

Die psychischen Störungen werden weitestgehend unter dem Punkt 6 abgehandelt. Dort heißt es „Psychische Störungen, Verhaltensstörungen oder neuronale Entwicklungsstörungen“.

Weiterhin sind die Schlafstörungen in Kapitel 7 klassifiziert, in Kapitel 17 wiederum sind die sexuellen Funktionsstörungen und auch die Genderinkongruenz hinterlegt. Dies wurde in der ICD-10 unter Transsexualität geführt. Diese beiden Kategorien werden in Kapitel 6 übrigens auch angezeigt, allerdings ausgegraut. Damit wird angezeigt, dass diese Kategorien zwar auch zu den psychischen Störungen gehören, aber eben an anderer Stelle klassifiziert sind.

Ebenso sind noch die 21 „Symptome oder klinische Befunde, anderenorts nicht klassifiziert“ und 24 „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen oder zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen“ wichtig. Hier finden sich zusätzliche Informationen wie „Symptome oder klinische Befunde, die die Psyche oder das Verhalten betreffen“, diese können mit dem entsprechenden Code dann kombiniert werden. Man kann hier z.B. Punkte finden wie „Problematik in Verbindung mit drohendem Arbeitsplatzverlust oder auch die verlängerte Trauerstörung.

Wird beispielsweise eine soziale Phobie (6B03) ermittelt, kann diese ergänzt werden mit einer Panikattacke als Begleitsymptom (MB23.H). Das nennt sich hier Postkoordination.

Eine Auswahl an zur Verfügung stehenden Zusatzdiagnosen wird beim Anklicken der Störung unter der Überschrift Postkoordination auch angezeigt.

Auch kann der Schwergrad einer Erkrankung durch einen Extension-Code ergänzt werden. Diese Zusatzkriterien befinden sich in der Rubrik X (für eXtension)

Änderungen in den Krankheitsbildern

Die Störungen werden nicht mehr in Altersklassen unterteilt, in denen sie auftreten. So sind Störungen, die in der ICD-10 dem Kindesalter zugeordnet waren nun in den Erwachsenenkapiteln untergebracht.

Bei den Persönlichkeitsstörungen hat man auf die bisherige Unterteilung verzichtet und man kann jetzt die Schwere der Ausprägung bestimmen. Durch eine Postkoordination kann allerdings eine Tendenz der PS ausgewählt werden.

 

So kann eine mittelgradige PS diagnostiziert werden (6D10.1 Mittelgradige Persönlichkeitsstörung) mit einer negativistischen Einstellung (6D11.0 Negative Affektivität bei Persönlichkeitsstörung oder -problematik). Die Codierung wäre dann 6D10.1/6D11.0.

Es wurden zudem neue Krankheitsbilder aufgenommen, wie z.B. die körperdysmorphe Störung, die Hoarding  Störung (Dinge horten – Messie-Syndrom) oder die Binge-Eating-Störung.

Der Burnout wird nun als Berufsphänomen (QD85) und nicht als ein medizinischer Zustand verschlüsselt.

Ausgliederung von Schlaf-Wach- und Sexualstörungen

Die „Störungen der Geschlechtsidentität“ und die „Schlafstörungen“ sind nicht mehr bei den psychischen Störungen angesiedelt, sondern in den separaten neuen Kapiteln: 17 „Bedingungen im Zusammenhang mit der sexuellen Gesundheit“ und 7 „Schlaf-Wach-Störungen“

Störungen, die spezifisch Stress-assoziiert sind

Die „Akute Belastungsreaktion“ wird im Kapitel 24 eine (QE84) verschlüsselt.

Die ‚Anhaltende Trauerstörung‘ (6B42) ist eine neue Diagnose, welche eine chronifizierte Trauerreaktion nach dem Tod einer nahestehenden Person (vor mindestens 6 Monaten) verschlüsseln kann.

Bei der ‚Posttraumatischen Belastungsstörung‘ (PTBS, 6B40) hat sich u.a. das Traumakriterium verändert; neu wird in der ICD-11 auf die subjektive Komponente des Traumakriteriums („… die nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde“) verzichtet und lediglich die objektive Komponente belassen („Ereignis oder Serie von Ereignissen von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß“).

Eine neue Diagnose ist die ‚Komplexe PTBS‘. Damit diese Diagnose gestellt werden kann, müssen (neben der Erfüllung des Traumakriteriums) die PTBS-Kriterien erfüllt sein (d.h. Wiedererleben, Vermeidung, anhaltende Bedrohungswahrnehmung), sowie Symptome aus drei weiteren Bereichen (Schwierigkeiten in der Regulierung von Emotionen, überdauerndes negatives Konzept des Selbst, Beziehungsschwierigkeiten). Die Komplexe PTBS präsentiert sich klinisch als ein heterogenes Störungsbild, welches gemäß neuster Untersuchungen keine Alters- und Geschlechtsunterschiede aufzeigt (Maercker et al., 2018) und sich von einer Persönlichkeitsstörung mit Borderline Muster (welche sich klinisch ähnlich präsentieren kann) als separates Störungsbild sinnvoll abgrenzen lässt (Maercker, 2021).

Fazit: Die ICD 11 ist komplexer geworden, bietet aber auch differenziertere Möglichkeiten der Diagnose und auch der Auswertung durch die WHO. Für die Überprüfung wird sich erst einmal nichts ändern, zumal die Übersetzung und die entsprechenden Diagnosen noch nicht zur Verfügung stehen.

Durch die Bereitstellung der ICD in der Onlineversion mit einer guten Suchfunktion ist der Gebrauch nach recht kurzer Zeit möglich und es lohnt, einmal hereinzuschauen.

Psycho-Pfusch oder Medien-Pfusch – Wie gefährlich sind Heilpraktiker?

Ich bin ein Verfechter der öffentlich-rechtlichen Medien, wobei die eben nur so lange funktionieren, solange die Aufsicht funktioniert und da darf man ja seine Zweifel anmelden. So auch bei der Sendung „Psycho-Pfusch Undercover: So gefährlich sind Heilpraktiker„.

Und wieder wird das alte Lied gespielt, dass hier mit fragwürdigen Methoden gearbeitet würde. Der Verband freier Psychotherapeuten VfP wurde hierzu auch mit Fragen konfrontiert, deren Beantwortung allerdings nicht mehr Einzug in den Bericht hätte finden können, da dieser bereits zur Ausstrahlung bereitstand. Auch wurden Begriffe wie Heilerin und Heilpraktikerin synonym verwendet und zudem wurde gesagt, dass Heilpraktikerinnen alles behandeln dürften. Kurzum ein Sammelsurium an Begriffen und Behauptungen, gezeigt an wenigen Beispielen, die den Zuschauern vermutlich suggerieren sollten, dass Heilpraktiker für Psychotherapie Scharlatane sind. Gezeigt hat er allenfalls, dass es überall Einzelfälle gibt, die natürlich nicht der Norm entsprechen. Ich warte derweil auf die Doku, die zeigt, dass dies in jeder Berufsgruppe so ist.

Hier findest Du die Sendung

Hier findest Du den Kommentar zur Sendung

Hier findest Du den Kommentar von Thomas Fydrich

Hier findest Du einen Kommentar von Nicole Schricker

Hier findest Du die Replik vom VfP

 

Weitere Kommentare dazu:

 

Ist ihr Kind vielleicht krank?

Man hört schon hin und wieder von Fachleuten, dass zu befürchten ist, dass so manche seelische Erkrankung sich dann doch eher in den normalpsychischen Bereich gehört. Ist aber das Kind erstmal in den Brunnen gefallen oder in die Hände einer psychotherapeutischen Praxis, dann ist es schwer, noch klarzumachen, dass man sich manchmal eben nicht so fühlt. Das soll und darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir in wahrlich aufreibenden Zeiten leben, in denen dank ständiger Information über das Ende der Welt viele Menschen über Gebühr beunruhigt.

Kinder können von alledem noch viel weniger Ahnung haben und sind darauf angewiesen, dass deren Eltern richtig entscheiden. Die Autorin dieses Artikels hat dies auch erlebt und findet beruhigende Worte an die, die sich gerne verunsichern lassen.

Hier gehts zum Artikel

 

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Psychotherapie als lifestyle?

Immer mehr Menschen klagen über psychische Probleme. In den 80er Jahren war die multiple Persönlichkeit ein großes Thema. Dann kam die Borderline Persönlichkeit, der Burn-out oder als Dauerbrenner das ADHS. Manchmal hört man dann von sogenannten Trenderkrankungen.

Ist das alles tatsächlich der Versuch, sein Unwohlsein in eine Diagnose zu „gießen“ und ist Psychotherapie, wie man es den US-amerikanischen Menschen ja öfter nachsagt, ein Trend – oder steigen Burnout, Depression & Co. tatsächlich. In diesem Podcast kommen beide Meinungen zu Wort.

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Medikament gegen Alzheimer macht Hoffnung

Die Unternehmen Biogen und Eisasi haben einen Antikörper namens Lecanemab in einer Studie auf die Wirkung bei Alzheimer getestet und nach eigenen Angaben eine Verzögerung des geistigen Abbaus von rund 27 % bewirkt. Hier gehts zum Bericht

empty bed beside white curtain

Schlaf ohne Reue? Mit einem neuen Wirkstoff

Die EU hat nun ein neues Medikament zugelassen, das gegen Schlaflosigkeit hilft und, anders als Schlafmittel aus der Reihe der Z-Substanzen oder Benzodiazepine, nicht süchtig macht. Das Medikament heißt Quviviq und ist zur Behandlung erwachsener Menschen zugelassen, die seit mindestens drei Monaten unter Schlafstörungen leiden, die zudem beträchtliche Auswirkungen auf die Tagesaktivität haben.

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